Das bedingungslose Grundeinkommen ist das politische Zukunftsprojekt der digitalen Moderne. Geld vom Staat für jeden – ob Milliardär oder Arbeitsloser. Bedingungslos und ohne Gegenleistung. So vielversprechend das klingt, so umstritten ist es auch. Hat das BGE das Potential, den deutschen Sozialstaat umzukrempeln? Wir klären auf.
Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
Das Grundeinkommen sieht vor, jedem Bürger ein staatlich finanziertes Einkommen zuzusichern. In aktuellen Debatten um das Grundeinkommen sind das häufig 1.000 € im Monat, die der Staat als garantierte und bedingungslose Leistung zur Verfügung stellt. Damit unterscheidet sich das BGE sehr grundsätzlich von dem aktuellen System aus Sozialleistungen wie Hartz IV, Elterngeld oder Wohngeld. Diese sind an Bedingungen geknüpft oder werden dem Bürger nur nach erfolgreicher Bedürftigkeitsprüfung zugesichert. Das bedingungslose Grundeinkommen würde all diese Leistungen ersetzen und in einer Leistung bündeln – und das auch im Falle der Erwerbstätigkeit.
Wie soll das finanziert werden?
Ein Grundeinkommen würde den bürokratischen Aufwand und auch die Verwaltungskosten von Behörden erheblich senken. Dennoch warnen Kritiker vor den wirtschaftlichen Folgen einer Einführung. Diese sind weitestgehend unvorhersehbar. Ein Betrag von 1.000 € für jeden würde jedenfalls den Bundeshaushalt, aus dem die Mittel finanziert werden müssten, sprengen. Etwa dreimal so viel Geld bräuchte es in der Kasse des Bundes, um das Vorhaben zu realisieren. Ein Teil der aktuellen Ausgaben würde natürlich wegfallen, Kosten für Hartz IV und weitere Sozialleistungen etwa. Ausreichend ist dies jedoch nicht. Fest steht also: Ein Grundeinkommen kann nicht ohne weitere Geldquellen finanziert werden. Eine Anhebung von Unternehmens- oder Erbschaftssteuer werden deshalb als weitere Ansätze diskutiert. Politisch wäre eine solche Lösung allerdings hoch umstritten.
Worum geht es in der Debatte um das BGE?
Das bedingungslose Grundeinkommen klingt erstmal vielversprechend. Jeder Bürger hätte die Freiheit und Sicherheit, den eigenen Lebensbedarf unabhängig vom Einkommen oder familiärer Unterstützung decken zu können. Doch was macht ein sicheres Einkommen mit der Arbeitsmotivation? Darum geht es im Kern der öffentlichen Debatte. Befürworter behaupten, ein sicheres Grundeinkommen würde die Kreativität und den Unternehmergeist stärken. Viele Bürger hätten nun die Möglichkeit, den Traum eines eigenen Gewerbes zu verwirklichen oder aus ungeliebten Jobs auszusteigen, um eine Weiterbildung zu finanzieren. Kritiker behaupten das Gegenteil. Sie sagen, dass erst der Leistungs- und Wettbewerbsgedanke des Menschen ihn dazu verleitet, arbeiten zu gehen. Ohne die finanzielle Notwendigkeit würde diese Motivation wegfallen.
Welche Modelle gibt es?
Deutschland hinkt in der Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen im europäischen Vergleich hinterher. Finnland testet die Einführung eines BGE gerade in einem Pilotprojekt und fand in Studien heraus: Das Grundeinkommen macht nicht produktiver, aber glücklicher. Auch ein Schweizer Dorf experimentiert bereits mit einem Grundeinkommen von 2.000 € im Monat. In Deutschland kursieren verschiedene Modelle. Das solidarische Bürgergeld, konzipiert vom Ökonomen Thomas Straubhaar und dem Politiker Dieter Althaus sieht vor, das Existenzminimum durch die Zahlung von 600 € für Erwachsene und 300 € für Kinder zu sichern. Dazu kommt eine Gesundheitsgutschrift für die Krankenversicherung von 200 €. Finanziert werden soll das Modell durch die Besteuerung von Einkommen ab dem ersten Euro (negative Einkommenssteuer) und die Streichung sämtlicher Sozialleistungen.
Das emanzipatorische Grundeinkommen ist eine Idee aus den Reihen der Partei DIE LINKE. Der Auszahlungsbetrag ist höher als beim solidarischen Bürgergeld und richtet sich nach dem Volkseinkommen, das jedes Jahr unterschiedlich ausfällt. Die Finanzierung soll über eine Grundeinkommensabgabe und Steuererhöhung bei hohen Einkommen und Vermögen laufen sowie den Ersatz einiger Sozialleistungen,l die jedoch nicht ganz gestrichen werden.
Das Konzept des dm-Gründers Götz Werner, einer der stärksten Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens sieht eine Umgestaltung des Steuersystems vor. Demnach sollen künftig Ausgaben und nicht Einkommen besteuert werden. Der Idee nach werden so Erwerbsarbeit und Unternehmergeist gefördert durch eine Befreiung von Kosten. Auch die Politik macht bereits Vorschläge, die einem Grundeinkommen ähneln. Die FDP fordert ein liberales Bürgergeld, das im Kern jedoch nicht bedingungslos ist. Die FDP möchte mit dem Bürgergeld Zuverdienstregeln für Hartz IV-Empfänger erleichtern und die Einkommensgrenzen für Geringverdiener erhöhen.
Insgesamt liegt das BGE in Deutschland noch in weiter Ferne. Bisherige Modelle sind umstritten, realistische politische Vorschläge existieren nur wenige. Die schleichende Alterung der Gesellschaft und damit einhergehende Belastung des Rentensystems und der zunehmende Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung machen es dennoch nötig, über alternative Formen des Sozialstaats nachzudenken. Wie dieser in Zukunft aussehen könnte, bleibt also abzuwarten.
Dieser Artikel erschien am 2. Mai 2019 im Online-Magazin „Standpunkt“